Graz 2003 – Hintergründe, Fakten und Projekte
Graz im ebenso schönen wie bergischen Österreich wurde im Jahr 2003 zur Kulturhauptstadt Europas ernannt. Aus diesem Anlass ließ es sich die Stadt nicht nehmen, Graz 2003 ins Leben zu rufen. Unter diesem Namen wurden über ein Jahr hinweg zahlreiche Projekte gestartet, die in irgendeiner Form mit Kunst und Kultur zu tun hatten – und auch immer noch haben, denn viele der damaligen Bauten stehen natürlich auch heute noch in Graz.
Kultur und Kunst in Graz
2003 wurde in Graz zum Kulturhauptstadtjahr, welches zahlreiche Architekten, Maler, Musiker und weitere Künstler dazu einlud, ihren Teil zum Gelingen dieses Jahres beizutragen. Graz 2003 (ausgeschrieben lautet das Logo GRAZ ZWEITAUSENDDREI) wurde so zu einem der größten Ereignisse zu Beginn des neuen Jahrtausends. Von einem Wunder von Graz war in den Medien die Rede.
Nüchtern betrachtet ging es in diesem Jahr „nur“ darum, zahlreiche Kulturangebote zu schaffen, die in der gesamten Stadt besucht werden konnten. Da Graz mit etwa 250.000 Einwohnern zu den größten Städten in Österreich zählt, war das Angebot entsprechend gewaltig. Theater, Architektur und Musik standen bei den Bewohnern und Besuchern der Stadt besonders hoch im Kurs. Im Nachhinein bedankt sich die Stadt auch bei den Angereisten und dort wohnenden Personen, ohne welche dieses Ereignis nie hätte stattfinden können.
Kleine Kultur auf einer Weltbühne
Die Wahl zur Kulturhauptstadt findet bereits seit 1985 statt, wobei damals Athen die erste Metropole war, die diesen Titel tragen durfte. Seitdem werden jedoch andere Anforderungen an die Städte gestellt, welche dieses Jahr nutzen möchten. Während früher das Programm noch sehr flexibel gestaltet werden konnte und die Besucher von Athen beispielsweise nicht zwingend auch griechische Kultur zu sehen bekamen, sollen mittlerweile identitätsgebende Ereignisse stattfinden, die, wie im Fall von Graz 2003, den Betrachter auch wissen lassen, dass er sich gerade in Österreich aufhält.
Es sollte ein Ereignis von regionaler und landesspezifischer Kultur werden – so wollte es zumindest Wolfgang Lorenz, der Intendant von Graz 2003. Er wollte einen echten Mehrwert erschaffen, was ihm nach einem Blick auf das Programm von Graz 2003 auch gelungen ist.
Aber warum ist es schließlich Graz geworden? Warum nicht Wien oder Salzburg, welche wohl beide international auf einen höheren Bekanntheitsgrad zählen können? Etwa um 1990 herum hieß es seitens der Kulturminister der EU, dass (sofern möglich) eher kleinere Städte als Kulturhauptstadt dienen sollten. Metropolen haben zwar den Vorteil, dass jeder sie kennt, aber dadurch geht auch ein wenig von der eigenen Kultur des Landes in diesen Städten verloren – weswegen die Wahl auf Graz fiel. Graz ist ebenfalls nicht unbekannt, aber trotzdem noch klein genug, um sich eine eigene Identität zu wahren.
Der „Schnittpunkt der Kulturen“, wie es die offizielle Bewerbung der Stadt um den Titel als Kulturhauptstadt nennt, der durch die Grenznähe zum südlichen Osteuropa entsteht, sollte für eine vielfältige und sehenswerte Kultur sorgen.
Die Projekte von Graz 2003
In diesem Artikel können wir unmöglich auf alle angedachten und umgesetzten Projekte zurückblicken, da es schlichtweg zu viele sind. Die interessanten Vorhaben von Graz 2003 werden allerdings nach Möglichkeit angesprochen.
Insbesondere im Bereich der Architektur konnte sich Graz von seinen Mitbewerbern der vergangenen Jahre absetzen. Nicht weniger als insgesamt zwölf Bauprojekte wurden innerhalb dieses Jahres realisiert. Darunter befinden sich auch Gebäude, die inzwischen über die Landesgrenzen hinaus bekannt sind, wie etwa die Helmut-List-Halle. Inzwischen dient die Halle, die nach dem prominenten österreichischen Industriellen benannt ist, hauptsächlich sowohl als Aufführungs- als auch Aufnahmeort für klassische Musik jeder Art. Im Jahr 2003 war dieser Ort gleichzeitig einer der von den Besuchern meistfrequentierten Plätze für Veranstaltungen aller Art, die ausladende Fläche von über 5.000 Quadratmetern gibt dazu auch allen Anlass.
Ebenfalls von Erwähnung ist das neu geschaffene Literaturhaus. Ehemals als Kulturhaus bekannt, wurde das Gebäude im Zuge von Graz 2003 in das Literaturhaus umgebaut, um dort eine Schnittstelle für alle literarischen Institutionen und Zeitungen der Stadt zu bieten. Eine Bibliothek und das Franz-Nabl-Institut für Literaturforschung finden dort ebenfalls Platz – und beide Orte haben ihre Tätigkeit heute natürlich noch nicht eingestellt.
Da nicht nur erwachsene Besucher Spaß an Graz 2003 haben sollten, wurde auch daran gedacht, ein Kindermuseum zu eröffnen. „Erlebbare Architektur“ wollten die Designer dabei schaffen, um den Kindern die allzu trockenen und theoretischen Merkmale von modernen Museen zu ersparen. Dabei wurde auf eine warme Gestaltung des Museums Wert gelegt, auf den Ort als Feld zum Experimentieren, auf eine einzigartige Erlebbarkeit. Kinder wurden und werden in diesem Museum daher nicht nur wie erwachsene Besuchergruppen bei einer Führung mit schier endlosen Fakten gefüttert, sondern werden auch miteinbezogen und zum Ausprobieren von diversen physikalischen Projekten eingeladen. Das Motto lautet dabei passenderweise „Probieren statt Studieren“.
Zahlreiche weitere Bauprojekte wurden im Zug von Graz 2003 realisiert, wie etwa ein Umbau des Hauptbahnhofes, eine neue Gestaltung der Stadtbeleuchtung oder auch ein Anbau am Flughaufen von Graz – aber schließlich hatte Graz 2003 noch mehr zu bieten als „nur“ Architektur.
Musik, Theater und Toleranz
Ein gutes Dutzend unterschiedlicher Bauwerke wurde im Laufe von Graz 2003 eingeweiht – und weit mehr als die zehnfache Menge an diversen Veranstaltungen fanden in diesem Jahr ebenfalls statt. Theaterstücke wurden dabei ebenso präsentiert wie musikalische Aufführungen oder auch Auto-Shows, Schachveranstaltungen und geschichtliche Ausflüge in die Kultur des Landes.
„Die Entdeckung der Toleranz“ etwa war eine dieser Dokumentationen zum Erleben. Darin beschrieben wurde der steinige Weg Europas zu einem lebenswerten Miteinander, das so vor einigen Jahrzehnten noch nicht existierte. Von der ursprünglichen Idee Europas bis in das Heute konnten auf dieser Ausstellung wichtige Schritte bei der Bekämpfung der Intoleranz begutachtet werden, ein Buch namens „Wege zur Toleranz“ wurde vom Philosophen Heinrich Schmidinger ebenfalls für das Ereignis veröffentlicht.
Unter dem Oberbegriff „Ikonen des 20. Jahrhunderts“ hingegen wurden zahlreiche Orchester und Musiker nach Graz eingeladen, um dort Werke von Weltrang vorzustellen, welche jedoch nicht ausschließlich aus Österreich stammten. „Schafft Neues, macht keine Kompromisse“ forderte Ferruccio Busoni im Jahr 1907 – und unter diesem Motto sollte auch Graz 2003 im Bereich der Musik auftreten. Dies ist eines der Projekte, welche das ganze Jahr über in der erwähnten Helmut-List-Halle stattfanden und zahlreiche Besucher aus aller Welt anzogen.
Ein sensationeller Erfolg
Der Erfolg von Graz 2003 war nicht nur für die Bewohner der Stadt spürbar, sondern vor allem auch messbar. Insgesamt wurden auf den über 6.000 Veranstaltungen in diesem Jahr, mehr als 2,8 Millionen Besucher gezählt, was für eine Stadt mit nur 250.000 Einwohnern eine gewaltige Zahl ist. Spitzenreiter bei den Besucherzahlen waren dabei insbesondere der „Turmbau zu Babel“ und der „Berg der Erinnerungen“ mit jeweils über 100.000 Besuchern, die sich diese Veranstaltungen über das Jahr hinweg ansehen wollten.
Die 1.200 Plätze in der Helmut-List-Halle, wo auch das erwähnte „Ikonen des 20. Jahrhunderts“ stattfand, können ebenfalls auf eine permanente Auslastung von mehr als 80% zurückblicken. Auch der Tourismus boomte bemerkenswert vor sich hin und konnte einen Zuwachs von fast 25% allein bei den Übernachtungen in Hotels feststellen – und durch die noch immer bestehenden Bauwerke ist Graz weiterhin ein interessantes Ziel für Touristen.
Die Zukunft der Kulturhauptstädte
Graz 2003 hat sich gelohnt – sowohl aus kultureller als auch materieller Sicht. Die unglaubliche Anzahl an Veranstaltungen führte dazu, dass sich niemand alle Projekte anschauen konnte, so dass fast das gesamte Jahr über ein hektisches Treiben in der Stadt herrscht. Allerdings war dies eine schöne, inspirierende Sorte von Hektik, die einen elektrisierenden Puls in der Stadt entfachte. Im Jahr 2013 sind es übrigens Marseille und die slowakische Stadt Košice, die als Kulturhauptstädte auserkoren worden sind – und ein Besuch lohnt sich mit Sicherheit.